Freitag, 30. September 2022

Libri, libri

 Die liebe Freundin und ich verordneten uns eine lateinfreie Sommerzeit, aber ich bekam plötzlich Lust, wieder eine kleine Geschichte zu schreiben. Diesmal aber sollte sie losgelöst von den Themen der 4 Lektionen in Litora sein, sondern Persönliches beinhalten. Ein Übersetzungsprogramm kam für mich nicht in Frage, bloß Wörterbücher und Grammatik, aber – ich gestehe - für ganz schwierige Stellen  nahm ich die Hilfe meines/unseres Nachhilfelehrers in Anspruch. 

Hier ist sie:

Ego* libenter lego et libros amo.Vita sine libris concipere non possum.
Domicilium meum magnum non est, vestibulum, balneum, culinam, atrium et
podium continet. Quia libros multos habeo, apud parietes non armaria vestiaria, sed quaedam libris loculamenta stant. Libri mei numero fere MMDL sunt eosque secundum argumenta in loculamentis disposui. 

 


Libros nonnullos post tempus aliquod denuo lego. Sed librum mihi gratissimum** – plus quam quinquaginta annos eum possideo – certe iam quinquies et vicies legi.
Libros meos in mercatibus et in tabernis librariis emo. In bona taberna libraria quasi in paradiso me esse credo.


P.S. Feles meae libenter noctu legunt. Interdum libros mane in pavimento invenio🐱🐱


* Ich habe mich bewusst für ego = ICH zu Beginn entschieden

** Bristow, Gwen: Kalifornische Sinfonie


Übersetzung:

Bücher, Bücher
Ich lese gerne und ich liebe Bücher. Ein Leben ohne Bücher kann ich mir nicht vorstellen. Meine Wohnung ist nicht groß, sie besteht aus Flur, Bad, Küche, Wohnzimmer und Balkon. Da ich viele Bücher habe, stehen an den Wänden keine Kleiderschränke, sondern Bücherregale. Ich habe circa 2.550 Bücher und sie nach Inhalt sortiert.
Manche Bücher lese ich nach einiger Zeit nochmals. Aber mein Lieblingsbuch - ich besitze es seit mehr als 50 Jahren - habe ich bestimmt schon 25x gelesen.
Meine Bücher kaufe ich auf Flohmärkten und in Buchhandlungen. In einer guten Buchhandlung wähne ich mich im Paradies.

P.S. Meine Katzen lesen gerne nachts. Manchmal finde ich am Morgen ein Buch auf dem Fussboden.



Sonntag, 19. Juni 2022

Salvete ! Seid gegrüßt !

 Eine liebe Freundin schlug mir letzten Herbst vor, gemeinsam Latein zu lernen, da wir uns beide für diese Sprache interessieren. Sie brauchte mich nicht lange überreden und so kauften wir uns Lateinlehrbücher und starteten.


Latein ist ja nicht gerade einfach und verlangt eine ganz besondere Art von Kopfarbeit beim Erlernen dieser Sprache, aber immerhin haben wir uns schon bis Lektion 4 durchgekämpft - ohne, ich gebe es zu, noch nicht so ganz vokabel- und grammatiksicher zu sein. Aber wir geben nicht auf, denn es macht neben Mühe und Zeitaufwand, auch Spaß. Das hat mich auf den Gedanken gebracht, die Lektionen 1 - 4 (In der Schule; Gäste kommen; In der Großstadt Rom; Auf einem Landgut) zu einer kleinen Geschichte zu verweben, aber - als Herausforderung - statt 3. Person Singular und Plural Präsens, wie in den Lektionen,  habe ich 1. Person Singular und Plural Präsens gewählt.

Hier meine kleine Geschichte:
Marcus nomen est. Hodie valde fessus sum, nam noctu carri materiam per vias vehunt. Autem ad scholam debeo. Tabellam sumo et e domo eo. Ante portam Julius amicus est. "Salve, Juli," dico. "Ubi Quintus est ?"
"Quintus tabellam emit" Julius respondet.
Scholam intramus. Grammaticus in sella sedet et salutamus. Grammaticum cuncti timemus, nam errare non licet. Tum grammaticus nos vituperat et valde clamat.
Post scholam Quintus ridet et dicit: "Cum patre meo villam nostram visito. Servi servaeque, cum pater venit, maxime seduli sunt. Sed servus Davus aegrotus est, nihil videt, nihil audit, dormit. Senex autem nobiscum potest manere. Hoc delectat."
Julius me invitat: "Parentes mei amicos hodie ad cenam expectant. Etiam Gaium, magnum auctorem."
"Libenter venio, Julius."
Post cenam Gaius fabulas Graecas multas recitat. Fabulae bonae sunt, sed scio, postridie iterum fessus sum.

Mein "Arbeitsplatz" beim Schreiben der Geschichte


Die Übersetzung:
Mein Name ist Marcus.Heute bin ich sehr müde, denn in der Nacht fahren Karren Baumaterial durch die Straßen. Aber ich muss zur Schule. Ich nehme mein Schreibtäfelchen und gehe aus dem Haus. Vor der Pforte ist mein Freund Julius. "Sei gegrüßt, Julius," sage ich, "wo ist Quintus ?"
"Quintus kauft ein Schreibtäfelchen" antwortet Julius. Wir betreten die Schule. Der Lehrer sitzt auf seinem Stuhl und wir grüßen. Wir alle fürchten den Lehrer, denn sich irren ist nicht erlaubt. Dann tadelt uns der Lehrer und schreit sehr.
Nach der Schule lacht Quintus und sagt: "Mit meinem Vater besuche ich unser Landgut. Die Sklaven und Sklavinnen, wenn mein Vater kommt, sind sehr fleißig. Aber der Sklave Davus ist krank, er sieht nichts, er hört nichts, er schläft. Der alte Mann kann aber bei uns bleiben. Das freut mich."
Julius lädt mich ein: "Meine Eltern erwarten heute Freunde zum Essen. Auch Gaius, den großen Schriftsteller."
"Ich komme gerne, Julius."
Später, nach dem Essen, liest Gaius viele griechische Geschichten vor. Die Geschichten sind gut, aber ich weiß, auch am folgenden Tag bin ich wiederum müde.


 



Dienstag, 3. Mai 2022

Hurra - wieder cineastische Schmankerl im Das Kino !

 Vom 29. März - 11. April fand - coronabedingt mit einem Jahr Verspätung - das 14. Lateinamerikanische Festival im Das Kino statt.

Noch unsere Begeisterung vom 13. Lateinamerikanischen Filmfestival im Kopf, schauten mein Sohn und ich uns so viele Filme wie möglich an. Und wir luden meine Tochter ein, die aus München an dem Wochenende 08. - 10. April gerne und voller Neugier kam. Diese wurde mit 9 Filmen gestillt.

 Jeder Film war einzigartig, manche hatten eine klare Aussage, manche ließen viel Raum für Interpretation.


Ich möchte zunächst die Filme und Dokus vorstellen, die mich besonders beeindruckt haben (nicht in der Reihenfolge des Ansehens)

Êrase una vez en Venezuela
Es war einmal in Venezuela


Bei einem flüchtigen Blick auf das Foto könnte man meinen, es ginge um einen Kanal in Venedig. Bis das Auge sich scharf stellt (der Verstand hat längst schon gesagt, kann ja nicht sein) und man statt nobler Palazzi einfache Hütten auf Stelzen im Hintergrund erkennt.
Wir sind am Maracaibo-See in Venezuela und erleben den Untergang des Fischerdorfes Congo Mirador.
Es ist sehr traurig anzusehen, wie das Dorf immer mehr verschwindet, trotz aller Anstrengungen und Bitten, da die Regierung jede Hilfe unterlässt.
Andererseits war ich fasziniert davon, wie die Bewohner nicht nur mit, sondern auch im Wasser leben, so als wären sie halb Mensch, halb Amphibie.

Im Anschluß an diese Doku war der Drehbuchautor Sepp R. Brudermann anwesend und erzählte höchst interessant über deren Entstehung und beantwortete Fragen aus dem Publikum.

Magali


Magali erfährt vom Tod ihrer Mutter und kehrt widerwillig in ihr Heimatdorf zurück. Sie hatte dort nicht nur ihren 10-jährigen Sohn bei der Mutter zurückgelassen, sondern sich auch von allen Traditionen der indigenen Dorfgemeinschaft gelöst. Als aber ein Puma das Dorf bedroht, ist sie bereit, gemeinsam mit ihrem Sohn das Raubtier mittels eines uralten Rituals zu besänftigen.
Am Anfang des Films sehen wir, dass die Behausung der Mutter eine einfache Hütte aus Stein ist und als Magali daheim ankommt und zur Hütte hinaufsteigt, entfährt mir ein "Ach, du Schreck", denn um die Hütte herum ist nichts als Steine, Steine, Steine, und hie und da ein niedriges, zerzaustes Gestrüpp !
Es ist sehr mutig von Regisseur Juan Pablo Di Bitonto eine Frau wie Magali als Protagonistin zu wählen, denn Magali ist eiskalt. Das erfahren wir Zuschauer gleich zu Beginn, als sie ihren Hund, ohne mit der Wimper zu zucken, an einem Laternenpfahl anbindet (meinen spontanen Kommentar dazu verschweige ich lieber), ehe sie in das Taxi steigt. Nach und nach verstehen wir aber, dass es Magali nur gelang, alles hinter sich zu lassen, indem sie einen Ring von ebenfalls Steinen um ihr Herz legte.
Gleichzeitig lässt der Film Fragen offen: Ist Magali quasi als Sühne Krankenschwester geworden ? Wer ist der Vater ihres Sohnes ? Wird sie an ihren Arbeitsplatz zurückkehren oder bleibt sie ? Was geschieht mit ihrem Sohn ? Wie war das Verhältnis zu ihrer Mutter ? Und letztendlich, wieso ist sie überhaupt weggegangen ?

El último traje
Das letzte Geschenk

Da der Film auch nach dem Festival im regulären Programm des Das Kino gezeigt wird, darf ich nicht zu viel verraten, vor allem nicht das Ende. Aber vorweg: Unbedingt anschauen ! Es ist ein wunderbarer, anrührender Film und man sollte Taschentücher dabei haben.

Die Angehörigen des 88-jährigen Abraham haben beschlossen, ihn ins Altenheim zu verfrachten. Sie haben sein Haus verkauft und sein Hab und Gut ist zur Besichtigung (wer bekommt was ?) aus den Schränken geräumt. Aber Abraham steigt kurzerhand in ein Flugzeug   denn er will seinen Jugendfreund in Polen besuchen, der ihm einst das Leben rettete. Auf seinem Weg dahin begegnet er vielen Menschen und erfährt immer wieder Hilfe, bis er in Warschau ankommt...
Abraham ist nicht etwa ein liebenswerter Opa, er ist starrsinnig und nachtragend - und trotzdem hoffen wir Zuschauer sehr, dass er seinen alten Freund wiedersieht !!!! ?????

Familia de medianoche
Midnight Family


Unvorstellbar, dass es in Mexico City mit seinen über 10 Millionen Einwohnern vom staatlichen Gesundheitssystem her nur rund 45 Rettungsautos gibt (auf der Stelle ist man dankbar für unser Gesundheitssystem). Vorstellbar ist hingegen, dass es selbsternannte Rettungssanitäter gibt, die Nacht für Nacht unterwegs sind, immer auf der Jagd nach Unfällen und vor allem, als Erste dort zu sein.
In dieser Doku des Regisseurs Luke Lorentzen fahren wir als Zuschauer mit bei den Einsätzen. Und wenn die Kamera im Rettungswagen installiert ist, bekommen wir Herzrasen bei den halsbrecherischen Fahrten zum Einsatzort.
Es ist nun nicht so, dass die Verunglückten Pech haben, bei Fernando Ochoa zu landen, sein Rettungswagen ist mit allem Nötigsten zur ersten Hilfe ausgestattet und sie werden danach in eine Klinik gefahren. Wenn Ochoa Glück hat, kann er sie in eine bestimmte Klinik bringen, denn nur von der erhält er Geld. Die Verletzten selbst können oft genug nichts bezahlen.
Trotz aller Widrigkeiten haben sich Fernando Ochoa und sein ältester Sohn (der jüngste ist noch Kind) Empathie für die Verunglückten bewahrt. Oft warten sie im Krankenhaus, bis sie erfahren, ob der Verletzte überleben wird - obwohl es dafür kein Geld gibt. Einmal sitzt eine junge Frau, die von ihrem Freund brutal geschlagen wurde, im Rettungswagen, sie zittert am ganzen Körper und bittet um eine Umarmung, damit sie sich wieder fangen kann - und die bekommt sie. Ein anderes Mal geht es um das Leben eines Babys und während Fernando Ochoa darum kämpft, ruft er immer wieder beschwörend "Baby, Baby" - und das Baby überlebt.
Ich bewundere Fernando Ochoa und seine Familie, statt Zynismus Menschlichkeit. Wenn es auch illegal ist, so würde ich sagen, wie gut, dass es Fernando Ochoa und seine Söhne gibt !

Sin señas particulares
Was geschah mit Bus 670 ?


Der deutsche Titel ist irreführend, es geht nicht um Aufklärung, was mit Bus 670 geschah, sondern um die Suche einer Mutter nach ihrem verschollenen Sohn. Jesùs war mit einem Freund zur Grenze losgezogen, um in die USA zu gehen. Als die Leiche des Freundes gefunden wird, Jesùs aber verschwunden bleibt, macht sich seine Mutter Magdalena auf den Weg, ihn zu finden. Sie ist der festen Überzeugung, dass er noch lebt. Es ist eine lange, gefahrvolle Suche und unterwegs schließt sich ihr der junge, illegale Migrant Miguel an, der aus den USA ausgewiesen wurde und nun seinerseits seine Mutter sucht.
Magdalena findet schließlich ihren Sohn - und muss feststellen, dass er, da er in die Hände von Banditen gefallen ist, zum Mörder wurde und, da er ihnen nicht entkommen kann, weiter morden wird. Sie hat ihren Sohn verloren, obwohl er noch lebt, und Miguel, den sie mit nach Hause genommen hätte, wird erschossen. So bleibt sie alleine zurück.
Nach dem Film sagte ich, leicht schockiert, zu meinem Sohn : "Puh, ist der Film heftig !"
Heftig zum einen: die allgegenwärtige Menschenverachtung gegenüber den Migranten an der Grenze zu den USA, und als eine furiose Szene fast zum Ende des Films (ein riesiges Feuer füllt die Leinwand, mittendrin eine schwarze Gestalt, der ein Teufelsschwanz und Hörner wachen) uns begreifen lässt, dass auch hier in Mexiko das Böse ist, Banditen, die töten, einfach aus der Lust heraus zum Töten; und zum anderen: das traurigen Ende, die Mutter, die so viele Strapazen auf sich genommen hat, bleibt alleine und ohne jede Hoffnung, zurück.

A vida invisivel
Die Sehnsucht der Schwestern Gusmão


Wir sind in Rio de Janeiro der 50iger Jahre und lernen die beiden Schwestern Euridice und Guida kennen. Sie sind schöne Frauen und hängen sehr aneinander, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten.
Guida ist voller Lebenslust und brennt mit einem griechischen Seemann durch. Euridice dagegen ist zurückhaltend. Sie spielt gerne Klavier und träumt davon, in Wien Musik zu studieren.
Aber das Schicksal in Gestalt ihres Vaters meint es anders: Als Guida hochschwanger und von ihrem Seemann verlassen, heimkehrt, wird sie vom Vater verstoßen. Guida darf natürlich nicht nach Wien, sondern wird stattdessen brave Ehefrau und Mutter. Der Film ergeht sich in sinnlichen und opulenten Bildern und wir begleiten von Anfang bis Ende voller Spannung und Anteilnahme die parallelen,  jedoch so verschiedenen Lebenswege der Schwestern.

Grundlage für den Film ist der Roman "Die vielen Talente der Schwestern Gusmão" von Martha Batalha. Natürlich habe ich mir das Buch gekauft und auch bereits gelesen - musste aber feststellen. dass der Film nur peripher mit der Handlung des Buches übereinstimmt: Trotzdem, der Film ist wundervoll und das Buch absolut lesenswert ! 

Los Lobos
Die Wölfe

Um es gleich zu sagen: Das ist mein Lieblingsfilm ♥

Lucia ist alleinerziehende Mutter ihrer kleinen Söhne Max und Leo. Sie wandert mit ihnen in die USA aus für ein besseres Leben. Den Kindern hat sie erzählt, sie würden einen Ausflug nach Disneyland machen. Statt dessen landen sie in einer überteuerten, schäbigen Einzimmerwohnung. Lucia findet Arbeit, muss aber die Kinder tagsüber alleine in der Wohnung lassen. Um es ihnen leichter zu machen, spricht sie ihnen 7 Regeln auf eine Kassette, und eine Regel davon lautet, niemals und wirklich niemals die Wohnung während ihrer Abwesenheit zu verlassen. - was natürlich eines Tages geschieht...

Die Geschichte wird aus der Sicht der Kinder erzählt und damit ist man gleich bei ihnen, staunt, wie sie mit phantasievollen Spielen das Eingesperrtsein Tag für Tag meistern, hat gleichzeitig Mitleid mit ihnen und als sie dann doch unerlaubterweise nach draußen gehen, fiebert man, dass ihnen ja nichts passiert (die beiden Brüder Maximiliono und Leonardo Nájar Márquez spielen ihre Rollen einfach großartig und ich bewundere sie restlos dafür !)
Aber auch Lucia verdient unseren vollen Respekt: Sie muss sogar zwei Jobs annehmen, um finanziell über die Runden zu kommen, und trotzdem kümmert sie sich, wenn sie müde nach Hause kommt, liebevoll um ihre Söhne. Und wir sind sehr froh, dass ihrer aller Leben zum Schluß leichter wird.

In Los Lobos erzählt uns Filmemacher Samuel Kishi seine eigenen Kindheitserinnerungen. Ich habe gleich nachgeschaut, ob es eine Autobiographie gibt. Bislang nicht, aber vielleicht wird Kishi sie eines Tages schreiben....

Criminales como nosotros
Glorreiche Verlierer


Die Dorfgemeinschaft eines kleinen Nestes gründet eine Genossenschaft, um die alte Getreidemühle wieder in Schwung zu bringen. Das Geld dafür vertrauen sie einem Banker an, der sie aber betrügt. Das wollen sie jedoch nicht hinnehmen und sie fassen einen Plan, mittels eines Banküberfalls sich ihr Geld zurückzuholen.

Dieser Film ist unterhaltsam, temporeich, man staunt über die Ideenvielfalt, muss vor allem oft herzhaft lachen. Und das - ehrlich gesagt - tat richtig gut ! 

Aus drei Filmen möchte ich noch bestimmte Szenen erwähnen: La Mami: La Mami arbeitet in einer Damentoilette, faltet tagsein, tagaus Toilettenpapier und kümmert sich gleichzeitig um "ihre Mädels", die in der Bar gegen Bezahlung mit Männern tanzen und trinken. Beim Anschauen der Doku braucht man ein bißchen Geduld, denn es geht um den immer wiederkehrenden Alltag von La Mami. Aber als gezeigt wird, wie La Mami betet, bin ich ganz berührt, denn sie betet nicht um Wohlstand und dass Gott sie von dieser Arbeit erlösen möchte, sondern darum, dass sie noch lange diese Arbeit machen kann und sie bittet um Schutz für die Frauen.

In Rojo finde ich die Szene sehr makaber, in der ein von Rechtsanwalt Mora schwer verletzter Unbekannter auf der Rückbank seines Autos liegt und röchelt und röchelt, während Mora seelenruhig fährt und dabei nach einem Platz Ausschau hält, wo er ihn ungesehen abladen kann.

Canción sin nombre (Lied ohne Namen): Die junge Georgina ist schwanger und geht in ihrer Not in eine kostenlose Geburtsklinik. Aber nach der Geburt ist ihr Baby verschwunden und sie wird nach Hause geschickt. Auf der Suche nach ihrem Baby kehrt sie wieder zur Geburtsklinik zurück. Aber dort ist niemand mehr und das Eingangstor ist verschlossen. Voller Verzweiflung hämmert sie immer und immer wieder an die schwere Tür und ruft und ruft, dass man ihr öffnet. Aber vergeblich. Das geht sehr ans Herz und ich möchte Georgina in die Arme nehmen und versuchen, sie zu trösten.

Zum Schluß bedanke ich mich ganz herzlich , dass Das Kino dieses Filmerlebnis möglich gemacht hat !

Übrigens: Vom 10. - 12. Mai stehen die Afrika Filmtage im Das Kino ins Haus 😃

* Alle Fotos dem Booklet entnommen
* Zu den Filmen gibt es auf Youtube Trailer. Manche Filme kann man auch kaufen











 

Donnerstag, 31. März 2022

Hannibal Lecter - der unsterbliche Bösewicht

 Vor gut 30 Jahren erschien von Thomas Harris "Das Schweigen der Lämmer" und machte Hannibal Lecter zu einer Kultfigur. Immer mal wieder wird die Verfilmung mit Jodie Foster und Anthony Hopkins im Fernsehen gezeigt, diesmal auf arte. Und es gibt nun eine Krimiserie "Clarice Starling - das Erwachen der Lämmer".

Mir rief das in Erinnerung, dass ich vor geraumer Zeit den Fortsetzungsband "Hannibal" las und folgendes dazu schrieb:

HANNIBAL von Thomas Harris                                                                                                      Ausgabe: geb. , 526 Seiten                                                                                                                  Erschienen 1999 bei Hoffmann und Campe Verlag/Wilhelm Heyne Verlag          

Elf Jahre nach Das Schweigen der Lämmer (1988) legt Thomas Harris nun die Fortsetzung mit dem schlichten Titel Hannibal vor. Mehr Worte braucht der Titel auch nicht, denn wir alle wissen sofort, wer Hannibal ist: Nein, nicht der karthagische Feldherr Hannibal, der mit Soldaten und Elefanten die Alpen überquerte, sondern Dr. Hannibal Lecter – Psychiater, hochintelligent, feinsinnig, mehrfacher Mörder, Kannibale, strengstens bewacht und trotzdem aus dem Gefängnis entflohen. Nun ist er zurück.

Auf der Rückseite des Schutzumschlages ist Stephen King zitiert: „Die Leser wollen nur wissen, ist es so gut wie Das Schweigen der Lämmer. Nein, dieser Roman ist nicht so gut, er ist besser“.

Ich fange voller Erwartung an zu lesen – und bin bei ca. Seite 140 bereit, aufzugeben. Zwar tauchen alte Bekannte (als Protagonisten oder in der Erinnerung an sie) auf, allen voran natürlich Clarice Starling und ihr Erzfeind Paul Kendler, und neue Personen, hauptsächlich Mason Verger plus Schwester Margot (falls ich mich da irre, bitte ich um Nachsicht – für mich sind sie neu) und Chefinspektor Rinaldo Pazzi, werden eingeführt. Aber sie bleiben für mich blutleer, was und wie da erzählt wird, finde ich spannungs- und überraschungslos (natürlich muss Mason Verger dank Hannibal Lecter verstümmelt und somit gruselig aussehen. Ich habe bei der Beschreibung von Mason Verger mit keiner Wimper gezuckt) bis hin zu überflüssig ausschweifend und stilistisch uneinheitlich. Vereinfacht gesagt: Ich langweile mich.

Trotzdem will ich nicht so schnell aufgeben und lese rasch noch einmal Das Schweigen der Lämmer. Da es mir immer noch gefällt, bin ich bereit, Hannibal eine zweite Chance zu geben und ich starte nochmals ganz von vorne.

Hier der Inhalt: Die Karriere von Clarice Starling dümpelt vor sich hin, seit sie Buffalo Bill, den grausamen Serienkiller, gefunden und getötet hat. Dieser Erfolg bringt sie auf der Karriereleiter nicht verdientermaßen voran, denn er ist ihrem Erzfeind, Paul Kendler, ein Dorn im Auge und er sorgt für ihren Abstieg. Schließlich wird sie nach einer missglückten Razzia Bauernopfer.

Inzwischen ist Dr. Lecter in Form eines Briefes an sie und ihrem Kontakt zu Mason Verger wieder in ihr Leben getreten. Mason Verger hat nur eines im Sinn, nämlich Hannibal Lecter aufzuspüren und grausam zu Tode zu foltern. Er malt sich aus, Dr. Lecter von Schweinen bei lebendigem Leib häppchenweise auffressen zu lassen. Um das verwirklichen zu können, hat er seine brutalen Handlanger, allen voran Carlo.

Hannibal Lecter ist nun in Florenz, sein Gesicht verändert, und wird als Dr. Fell Kurator des Palazzos Capponi. Hier nun treffen er und der Chefinspektor der Questura Rinaldo Pazzi zusammen. Relativ schnell erkennt Pazzi in Dr. Fell Hannibal Lecter, aber statt ihn festzu- nehmen, erliegt er der Versuchung des Geldes: Mason Verger hat eine Million Belohnung für die Ergreifung von Lecter ausgesetzt. Es überrascht nicht, daß Pazzi seine Habgier durch die Hand von Dr. Lecter mit dem Leben bezahlt.

Hannibal Lecter gelingt die Flucht zurück nach Amerika. Ab diesem Zeitpunkt wird der Inhalt bestimmt von der Jagd Mason Vergers (mit Unterstützung von Paul Krendler) auf Dr. Lecter. Und es gelingt Carlo und seinen Helfern tatsächlich, Hannibal Lecter zu überwältigen und zur Muskrat Farm, Vergers Wohnsitz, zu bringen. Als er bereits gefesselt an einer Wagendeichsel hängt, die Füße nackt, damit die Schweine ihr Werk beginnen können, da ist es Clarice Star-ling, inzwischen vom Dienst suspendiert, die ihn befreit und dabei selbst in Lebensgefahr gerät. Nun wiederum rettet Hannibal Lecter Starling, indem er sie in sein Zuhause bringt und pflegt – unter Zuhilfenahme von Drogen. Den Schluss möchte ich nicht verraten; nur so viel: Er überrascht – und ist einer Clarice Starling unwürdig.

Mit Dr. Hannibal Lecter hat Thomas Harris nach dem Dr.Jekyll/Mr.Hyde-Prinzip eine Figur geschaffen, die uns gleichzeitig fasziniert und abstößt: Einerseits ist Dr. Hannibal Lecter ein Mann mit gesellschaftlichen Status, kultiviert, gebildet, und andererseits eiskalter Mörder und – dessen nicht genug - Kannibale, mit einem Faible für die Innereien und Zungen seiner Opfer. Mörder kennen wir viele, reale und fiktive, aber diese Kombination lässt uns schaudern. Uns fällt Fritz Haarmann ein (es gibt da dieses kleine Liedchen: Warte, warte noch ein Weilchen, bald kommt Haarmann auch zu dir, mit dem kleinen Hackebeilchen macht er Hackefleisch aus dir) oder der Flugzeugabsturz 1972 in den chilenischen Alpen, wo die Überlebenden aus ihrer Hungersnot heraus ihre toten Kameraden gegessen haben (sie taten es, um nicht zu verhungern, trotzdem war es Kannabilismus). Gegen eine gut zubereitete Rinderzunge oder gebratene Leber haben wir ja nichts, schließlich kommt das ja von Nutztieren, aber Menschenteile zu essen, und seien sie noch so köstlich zubereitet von Dr. Lecter - wir wenden uns mit Grausen ab.

Dr. Hannibal Lecter muß im schriftstellerischen Leben von Thomas Harris über all die Jahre großen Raum eingenommen haben, sonst hätte er wohl kaum eine Fortsetzung von Das Schweigen der Lämmer geschrieben. Denn was ist neu an Dr. Lecters Verhalten? Nichts. Was überrascht uns? Einzig und allein, dass er an seine Schwester denkt und dass er sich in seinen Gedächtnispalast zurückzieht. Als Titelgeber (auch im Original Hannibal) finde ich ihn blaß, der Hauptprotagonist ist für mich Mason Verger mit seinen Schergen. Der übertrifft Lecters Grausamkeiten bei weitem und überhaupt wird ausufernd in der perfidesten Art und Weise gemordet. Das übertrifft das alttestamentarische Auge um Auge, Zahn um Zahn um einiges. Von all den Figuren bleiben nur Margot (mit Freundin), Barney, Clarice Starling UND  Dr. Hannibal Lecter übrig.

Ist es richtig, dass ein Mensch wie Hannibal Lecter ungeschoren davon kommt? Eigentlich nicht, oder will uns Thomas Harris damit gar etwas sagen?  Vielleicht in einer Fortsetzung??
Die wird aber nicht in meinem Regal stehen. Ich habe Bücher, die ich gerne nochmals lese, Hannibal gehört nicht dazu.

 Eine harsche Kritik, ich weiß - aber stehe ich alleine damit da ???

Zum Schluß ein Versprechen: In Kürze werde ich über das 14. Lateinamerikanische  Festival berichten, das vom 29.03. - 11.04.2022 im DAS KINO stattfindet